Baldegger Schwestern Klosterherberge Stella Matutina Hertenstein

Die Aufmerksamkeit besteht darin,
sein Denken zu umgehen,
den Geist verfügbar, leer
und für den Gegenstand durchlässig zu halten,
die verschiedenen bereits erworbenen Kenntnisse,
die man zu nutzen genötigt ist,
in sich dem Geist zwar nahe und erreichbar,
doch auf einer tieferen Stufe zu erhalten,
ohne dass sie den Geist berührten.

Der Geist soll hinsichtlich aller eigenen
und schon ausgeformten Gedanken
wie ein Mensch auf einem Berg sein,
der vor sich hinblickt und gleichzeitig unter sich
– jedoch ohne hinzusehen –
viele Wälder und Ebenen wahrnimmt.
Und vor allem soll der Geist leer sein,
wartend, nichts suchend, aber bereit,
den Gegenstand, der in ihn eingehen wird,
in seiner nackten Wahrheit aufzunehmen.
Die kostbarsten Güter soll man nicht suchen,
sondern erwarten.
Denn der Mensch kann sie aus eigenen Kräften nicht finden,
und wenn er sich auf die Suche nach ihnen begibt,
findet er statt ihrer falsche Güter,
deren Falschheit er nicht zu erkennen vermag.

 

Simone Weil